Tourismuspolitik
Das CO₂-Gesetz aus Sicht der Schifffahrtsunternehmen | Stefan Schulthess
In der Frühjahrsession 2024 haben der National- und Ständerat die Überarbeitung des CO₂-Gesetzes abgeschlossen. Mit dem revidierten CO₂-Gesetz will der Bundesrat die Treibhausgasemissionen der Schweiz bis 2030 gegenüber 1990 halbieren. Der bundesrätliche Entwurf sah vor, dass u.a. die Rückerstattung der Mineralölsteuer ab dem 1. Januar 2026 für den öffentlichen Verkehr (öV) sowie für andere Sektoren gestrichen wird. Es hätte künftig also im Interesse des öV gelegen, seinen Emissionsaustoss zu drosseln, um zusätzliche Kosten zu vermeiden. Die Streichung der Mineralölsteuerrückerstattung hätte auch die konzessionierte Personenschifffahrt betroffen. Das Parlament sorgte jedoch dafür, dass gewissen (Teil-)Branchen weiterhin die Rückerstattung gewährt wird. Dies wird damit begründet, dass die zu erwartende Reduktion der CO₂-Emission durch die Aufhebung der Rückerstattung nur sehr gering ausfallen würde, da in den betroffenen Branchen schlichtweg alternative Technologien fehlen. Zudem hat die Rückerstattung für die betroffenen Branchen grosse wirtschaftliche Relevanz. Auch die konzessionierte Personenschifffahrt gehört in diese Kategorie. Bisher gibt es noch keine CO₂-neutralen, erneuerbaren Antriebstechnologien für grosse Kursschiffe, die auch längere Strecken in Fahrplangeschwindigkeit meistern können. Hinzu kommt, dass die konzessionierte Schifffahrt in der Schweiz grösstenteils nicht abgeltungsberechtigt ist. Das bedeutet, dass sie einen Ausfall der Mineralölsteuerrückerstattung fast vollständig hätte selbst tragen müssen. Die Streichung der Rückerstattung hätte zu einer Verdopplung der Treibstoffkosten geführt und existenzbedrohende Folgen für viele Schifffahrtsunternehmen gehabt.
Energieeffizienz in der Schifffahrt
Obwohl sich die Schweizer Schifffahrt in einer anderen Ausgangslage befindet als der Strassen- und Schienen-öV, will und muss sie langfristig Investitionen tätigen, um energieeffizienter zu werden. Die Reduktion von CO₂-Emmissionen ist für alle schweizerischen Schifffahrtsgesellschaften ein wichtiges Ziel. Die seit 2020 vom Bundesamt für Verkehr erhobenen Energiekennzahlen zeigen, dass die Personenschifffahrt mit ca. 7 Prozent den drittgrössten Anteil am CO₂-Ausstoss des öVs ausmacht. Gemäss der Shiptec AG – die grösste Schweizer Werft – ist eine Methode, um den Energieverbrauch und somit den CO₂-Ausstoss zu drosseln, der Fahrstil. Abhängig davon, wie Schiffsführer:innen das Schiff beschleunigen oder abstoppen, verbraucht es weniger Treibstoff. Dafür müsste allerdings der Fahrplan angepasst bzw. entschleunigt werden. Damit kann bei optimaler Geschwindigkeit gefahren werden, denn je schneller ein Schiff unterwegs ist, umso stärker trifft es auf Wasserwiderstand, was zu einem höheren Energieverbrauch bzw. CO₂-Ausstoss führt. Hierbei kann der Gebrauch von künstlicher Intelligenz nützlich sein. Technisch ist es heute möglich, dass Schiffsführer:innen in Echtzeit Daten zum Treibstoffverbrauch des Schiffes erhalten und so das Fahrverhalten anpassen können.
Vielversprechende Lösungsansätze
Für Schiffe, die bereits betrieben werden und einen Dieselmotor haben, besteht die Option den Treibstoff (Diesel) durch synthetischen Treibstoff – sogenannten E-Fules – oder durch Biodiesel zu ersetzen. Leider sind diese Treibstoffe aktuell schwierig zu erhalten; die Menge ist noch zu klein, was zu hohen Kosten führt. Zudem steht die Schifffahrt in Bezug zu synthetischen Treibstoffen in starker Konkurrenz zur Luftfahrt. Daher ist dieser Wechsel für die meisten Schifffahrtsunternehmen finanziell noch unrealistisch. Eine weitere Option stellt der Wechsel von herkömmlichen Diesel- zu Hybridmotoren dar. Hybridmotoren haben zwei unabhängige Antriebe – einen Diesel- sowie einen Elektromotor. Ein Dieselgenerator produziert elektrischen Strom, der in Batterien zwischengespeichert und anschliessend für das rein elektrische Fahren verwendet wird. Mit einem Hybridmotor können im Vergleich zu einem Dieselmotor im Idealfall bis zu 30 Prozent an CO₂ eingespart werden.
Nachhaltige Antriebstechnologien
Grundsätzlich ist die Auswahl des Antriebs – auch bei neugebauten Schiffen – stark vom Zweck des Schiffes abhängig. Auch reine Elektroantriebe sind möglich, wie etwa die drei neuen eLimmatboote der Zürichsee-Schifffahrtsgesellschaft zeigen. Diese sind im Betrieb klimaneutral. Ein Elektroantrieb lässt sich gut für Kurzstrecken verwenden. Für grosse Kursschiffe, die den ganzen Tag mit relativ hoher Geschwindigkeit unterwegs sind, eignet sich ein Elektroantrieb hingegen nicht. Derzeit gibt es in der Passagierschifffahrt noch keine praktischen Beispiele für grosse und schwere, rein elektrisch betriebene Kursschiffe. Das ist gegenwärtig nur möglich, wenn Speicher z.B. in Form von Wasserstoff verwendet werden, welche die benötigte Energie ausreichend liefern können. Die Schifffahrtsgesellschaft Vierwaldstättersee (SGV) plant aktuell den Umbau des diesel-elektrischen Fahrgastschiffs MS Saphir mit 300 Plätzen in ein klimaneutrales Elektro-Motorschiff, dessen Antrieb aus einem Wasserstoff-Batterie-Hybridsystem bestehen wird. Die MS Saphir soll ab dem Sommer 2026 ihren Betrieb aufnehmen. Sogenannt grüner Wasserstoff wird mit erneuerbarer Energie produziert, wenn Verbraucher diesen Strom nicht benötigen und so Energie gut gespeichert werden kann. Die grössten Hürden für die Entwicklung dieser Technologie sind einerseits die hohen Kosten und anderseits die Sicherheit auf den Schiffen zu gewährleisten. Die Investitionskosten für den Umbau des Schiffes und für den Bau der Tankanlage belaufen sich nach heutigem Kenntnisstand auf rund 4 bis 5 Millionen Franken. Beim erwähnten Beispiel MS Saphir trägt die SGV dabei rund zwei Drittel der Kosten selbst, während der Rest durch ein Förderprogramm des Bundes, durch die Betankungspartner:innen und durch die Shiptec AG als Bauwerft übernommen werden.
Inwiefern ältere Schiffe letztlich umgebaut werden können, muss von Fall zu Fall beurteilt werden. Faktoren wie Platzverhältnisse, Gewichtsveränderungen oder die Kosten für den Umbau sind sehr unterschiedlich. Bei neugebauten Schiffen werden noch weitere, zusätzliche Faktoren, wie beispielsweise das Unterwasseschiff, berücksichtigt; je kleiner und runder das Unterwasserschiff gebaut wird, umso weniger stösst es auf Wasserwiderstand, was den Treibstoffverbrauch reduziert.
Weitere Forschungsansätze
Die Nachrüstung von Dampfschiffen ist dahingegen deutlich anspruchsvoller. Dennoch wird auch in diesem Bereich aktiv geforscht. Der benötigte Wasserdampf bei den Dampfschiffen wird heute mittels Heizöl erzeugt. Die Schifffahrtsgesellschaft Vierwaldstättersee (SGV) prüft gemeinsam mit der Shiptec AG sowie dem Start-Up Synhelion, den Einsatz eines synthetischen Kraftstoffes, der Heizöl ersetzen soll und aus Sonnenenergie hergestellt wird. Der synthetische Kraftstoff gibt nur so viel CO₂ in die Atmosphäre ab, wie für seine Herstellung verbraucht wird. Der Kraftstoff ist fossilen Brennstoffen ähnlich und ist mit der historischen Technologie der Dampfschiffe kompatibel.
Finanzielle Hürden und politische Rahmenbedingungen
Eine grosse Herausforderung ist und bleibt die Finanzierung nachhaltiger Schiffe; die möglichen Technologien sind für die Schifffahrtsunternehmen finanziell kaum tragbar. Die Kosten für klimaneutrale Schiffe sind rund 30-50 Prozent höher als für herkömmliche Schiffe. Auch die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR) schätzt in ihren Studien, dass die Umrüstung und Neubeschaffung von Schiffen mit umweltfreundlichen Antriebstechnologien eineinhalb bis zweimal höhere Investitionskosten verursacht als der Einsatz oder die Beschaffung von Schiffen mit konventionellen Antrieben. Um die Ziele einer Emissionsreduktion in der Schifffahrt zu erreichen, ist also die finanzielle Unterstützung innovativer Projekte ausschlaggebend. Im Rahmen des Programmes „Energiestrategie im öffentlichen Verkehr 2050“ (ESöV) wird beispielsweise die Umrüstung der MS Saphir auf einen Wasserstoffantrieb, wie oben erwähnt, finanziell unterstützt. Die Ziele des Programms sind u.a. die Steigerung der Energieeffizienz, der Ausstieg aus der Kernenergie, die Senkung des CO₂-Ausstosses sowie die Produktion erneuerbarer Energien. Das Bundesamt für Verkehr (BAV) nimmt hierbei die Rolle des Impulsgebers sowohl bei der Massnahmenumsetzung wie auch bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen für die Branche ein. Dem Programm stehen gemäss Bundesbeschluss max. 3 Mio. Franken pro Jahr zur Verfügung. Auch der Bundesrat möchte, dass die Schifffahrt durch innovative Projekte in Feldversuchen Erfahrungen und Wissen generiert, die der Weiterentwicklung der Technologien dient. Langfristig ist die Schifffahrt allerdings von der Produktion erneuerbarer Energien, der Erhöhung der Kapazität der Stromnetze sowie von Tankstellennetzen für neue Energieträger, wie z.B. Wasserstoff oder synthetische Treibstoffe, abhängig. Mit der Annahme des Stromgesetzes am 9. Juni 2024 wäre somit ein erster Schritt in Richtung Ausbau erneuerbarer Energie getan. Damit eine grossflächige Umrüstung zu nachhaltigen Antrieben auch finanziell realisierbar wird, müssen jedoch die erwähnten Technologien erst Marktreife erlangen. Deshalb ist die vom Parlament beschlossene Mineralölrückerstattung für die konzessionierte Personenschifffahrt gerechtfertigt und ein entscheidendes Element auf dem Weg zu einer nachhaltigen Schifffahrt auf den Schweizer Seen und Flüssen.
Ein Gastbeitrag von Stefan Schulthess.
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